Ein halbes Jahrhundert Gastarbeiter_innen in Wien.
Wiener Gastarbeiter_innen, die schon mehr als 50 Jahren hier leben, sind wichtige Zeug_innen der Vergangenheit.
Republik Österreich hat im vergangenen Jahrhundert bilaterale Verträge über die Anwerbung der so genannten „Gastarbeiter_innen“ mit der Türkei (1964) und Ex-Jugoslawien (1966) abgeschlossen. Viele Zehntausende Menschen, die damals nach Österreich kamen, sind heute zwischen 70 und 80 Jahren alt. Heute leben sie als Pensionist_innen meistens teilweise in ihrer Heimat und teilweise in Wien. Ihre Kinder und Enkelkinder machen einen Teil der heutigen Wiener_innen und dadurch auch der Wiener Schüler_innen aus. Die Geschichte der Gastarbeit ist auch ein wichtiger Teil der neueren Geschichte Wiens.
Ein Zeitzeug_innengespräch mit Schüler_innen ist eine gute Gelegenheit dafür, die Kenntnisse über dieses wichtige Thema zu erwerben. Die Schilderungen einer Epoche „aus erster Hand“ sind immer wertvoll, da es sich um die lebenden Zeug_innen mit ihren privaten Lebensgeschichten handelt, die für Schüler_innen spannend sein können. Auf Grund dieser „Impulsgesprächen“ kann man sie anspornen, die eigene Familiengeschichte zu studieren, was wertvolle (Er)Kenntnisse für alle mit sich bringen würde.
Das Ziel ist, die Schüler_innen mit dieser Epoche durch das Gespräch mit dem_der Gastarbeiter_in LIVE sowie im Rahmen eines Vortrags bekannt zu machen und anzuspornen, den Stammbaum und die Migrationsgeschichte der eigenen Familie niederzuschreiben.
Umsetzung / Ablauf
1) In der Vorbereitungsstunde (Deutsch, Geschichte, Projektwoche etc.) wird mit Schüler_innen - dem Alter und dem Typus der Schule angepasst - das Thema „Arbeitsmigration nach Österreich: Von Gastarbeiter_innen bis zu modernen (Wirtschafts)migrant_innen“ erörtert.
Das kann ein Vortrag mit angeschlossenen Fragen für Diskussion sein, den die MA 17 gerne zur Verfügung stellen wird (samt dem/der Vortragenden aus der MA 17, falls die LehrerInnen das wünschen).
Den Schüler_innen die Aufgabe erklärt, die darin besteht, die (Arbeits)Migrationsgeschichte der eigenen Familie zu eruieren. Dafür haben alle (mit und ohne Migrationshintergrund) z.B. eine Woche Zeit. Das kann aber auch nach dem Auftritt des/der GastarbeterIn erfolgen.
2) Vor einer oder mehreren Schulklassen tritt ein_e alte_r Gastarbeiter_in (meistens ex-jugoslawischer oder türkischer Herkunft) auf.
Im Rahmen eines von dem/der MitarbeiterIn der MA 17 moderierten Gesprächs erzählt er/sie den Schüler_innen über sein Leben damals, die Ankunft, die Arbeits- und Familienbiographie, aber auch über sein Leben heute als Pensionist_in, seine/ihre Gedanken über Wien, Österreich etc.
Er/Sie beantwortet ihre Fragen, bringt Sachen aus der Vergangenheit mit (Arbeitskarte, alte Fahrscheine, Photo von de Baustelle, Familienphotos, alten Pass etc.)
3) Die Schüler_innen recherchieren in ihren Familien, fragen ihre Eltern und Großeltern aus, versuchen den Stammbaum zu machen.
4) Im Rahmen eines speziellen Schreibworkshops oder
in einer oder mehreren Schulstunde/n oder
bei älteren Schüler_innen selbständig, als Hausübung
entstehen die Texte darüber, die in einer kleinen Broschüre veröffentlicht werden (oder in einer Stunde den Klassenfreunden vorgestellt werden).
Optional: Gleichzeitig läuft an der Schule die Ausstellung über Gastarbeiter_innen des Vereines „Mitten in Favoriten“.
Optional: Es ist auch möglich, den Besuch einem „Migrantenverein“ mit Tradition abzustatten, dort sich zusätzlich über die Aktivitäten erkundigen, Volkstrachten etc. anschauen, an einem Tanzworkshop etc. teilnehmen.
Learnings
Das Projekt wurde schon im letzten Quartal 2018 als Pilot unter dem Titel „Als wir vor 50 Jahren kamen…“ an der Wiener GTNMS Bildungscampus Sonnwendviertel durchgeführt. Auf Grund des Erfolges und der positiven Meinungen aller Teilenhmenden, wurde das Projekt von der Wiener Bildungsdirektion befürwortet und für die Veröffentlichung an dieser Plattform empfohlen.
Der Impuls kam vom Dachverband für serbische Vereine in Wien und wurde tatkräftig von der MA 17 – Integration und Diversität gefördert und vom Kulturverein „Mitten in Favoriten“ unterstützt.
Die Teilnehmer_innen waren Klassen 3A und 4A mit sehr vielen verschiedenen Herkunftsländern. Ich habe das Projekt seitens der MA 17 koordiniert und sehr wertvolle Erfahrungen gesammelt. Die Schüler_innen waren interessiert und engagiert, haben in ihren Familiengeschichten recherchiert und viel gelernt. Das Endergebnis waren ihre kleinen Aufsätze, Zeichnungen der Stammbäume ihrer Familien etc.
Ergebnis / Weiterentwicklung
Das Ergebnis des Projektes ist die Broschüre "Als wir vor 50 Jahren nach Wien kamen" Geschichten aus Favoriten, in der alle Aufsätze und Zeichnugnen der Schüler_innen veröffentlicht wurden.
Das Projekt soll jetzt unter dem geänderten Titel allen Wiener Schulen (5. bis 12. Schuljahr) angeboten. Ein "Pool" der älteren Gastarbeiter_innen, die relativ gut Deutsch sprechen, wurde aufgebaut, weshalb die Schulen, die das Projekt realisieren wollen, bei rechtzeitiger Ankündigung eine_n von ihnen "bekommen" können.
Die MA 17- Integration und Diversität bietet dazu (in meiner Person) jede Unterstützung für Pädagog_innen, die das Projekt mit ihren Schüler_innen durchführen wollen. Der Vortrag mit anschließendem Gespräch kann auch von uns zur Verfügung gestellt bzw. geführt werden.
Die Rolle der Leherer_innen bestünde unter anderem darin, ihre Schüler_innen zu motivieren, ihre Familien- und Zuwanderungsgeschichten zu studieren und darüber zu schreiben.
Teilnehmer_innen
Am (von der MA 17 geförderten und vom Dachverband für serbische Vereine in Wien) eingereichten Projekt haben sich folgende Personen(gruppen) beteiligt:
1) Dachverband für serbische Vereine in Wien, der den Impuls für das Projekt, den Gastarbeiter für das Gespräch mit den Schüler_innen und die eigenen Räumlichkeiten für das Abschlussfest zur Verfügung gestellt hat
2) MA 17 – Integration und Diversität (in meiner Person für Koordination usw.)
3) Der Kulturverein „MItten in Favoriten“, dessen Vertreter sich auch um die Wanderausstellung über Gastarbeit gekümmert hat, die man auch in jeder neuen Schule für kurze Zeit zur Verfügung stellen könnte
4) Ernst Schmiderer, als Leiter des Workshops für Schüler_innen, bei dem die Beiträge für die Broschüre entstanden sind
5) Die Lehrerinnen sowie Schüler_innen zwei Klassen der GTNMS Sonnwendviertel Favoriten
Vorstellung Projektleiter_innen
Ich werde das Projekt für MA 17 - Integration und Diversität führen. Mein Name ist Goran Novakovic, ich komme ursprünglich aus Belgrad (Serbien) und lebe seit 28 Jahren in Wien. Ich habe Vergleichende Literaturwissenschenschaft und Germanistik an den Unis Belgrad und Wien studiert. Ich unterrichte BKS an den Wiener VHS-en seit mehr als 25 Jahren.
Seit 1993 arbeite ich ununterbrochen im Bereich Integration. Ich war Herausgeber des dreisprachigen Buches (Wir, die Zugvögel. 10 Lebensgeschichten der ersten GastarbeiterInnen in Wien, Drava Verlag, 2002) und arbeite intensiv mit Migrant_innen.
Ich habe große Erfahrung im Moderieren und in der Arbeit mit verschiedenen Publiken (jung und alt, In- und Ausländer etc.)